Ja, ich gebe es gern zu: Ich bin nicht der Erste, der darüber spricht. Im Verlauf der letzten Jahre hat es „plötzlich“ eine Reihe von Veröffentlichungen gegeben, die sich des Themas „Gefühle“ widmen. Und das ist aus meiner Sicht gut so: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
Womit verbinden Sie persönlich „Gefühle“? Verbinden Sie das mit „Gefühlsausbruch“, „Gefühlsduselei“, Schwäche, mit fehlender persönlicher Beherrschung oder mangelnder Sachorientierung? „Leisten“ Sie selbst es sich, Gefühle zu zeigen?
Zahlen, Daten, Fakten („ZDF“)
In diesem Beitrag fokussiere ich mich auf Entscheidungen und welche Rolle Gefühle dabei spielen. Immer dann, wenn wir etwas durchsetzen „wollen“, dann „müssen“ wir überzeugen oder – wenn wir uns in einer entsprechenden Position befinden – „können“ wir anordnen. Wie einfach fällt es uns dann oftmals, wenn wir dazu Zahlen, Daten und Fakten liefern können – damit ist doch Alles klar, oder?
- Eine Investitionsentscheidung beispielsweise treffen wir unter eindeutigen Rahmenbedingungen: Verfügbares Budget, Return on Investment, Amortisationszeit, interner Zinssatz, sachlicher Nutzen und mehr.
- Eine Entscheidung für die Annahme einer neuen beruflichen Aufgabe machen wir z.B. von den messbaren Größen Gehalt, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Ort und Dauer abhängig.
- Entscheidungen für einen Urlaub, für Kleidung oder für ein Auto – wir haben klare Vorstellungen über Budget, Kosten-Nutzen-Verhältnis und Langfristigkeit!
Entscheidungen – mehr als „ZDF“
Und dennoch: So viele messbare Parameter auch verfügbar sind, so spüren wir doch, dass es mehr als diese messbaren Parameter geben muss. Ich behaupte, vielen von uns geht es so, dass wir uns unabhängig von „ZDF“ überlegen, wie die Entscheidungsempfehlung wohl letztlich ausfallen wird – und ob uns das gefallen wird? Sind wir tatsächlich so objektiv, wie wir sein müssten, um jede denkbare Empfehlung vorbehaltlos anzunehmen? Kann es sein, dass wir zwar aus Gründen der „Vernunft“ eine Entscheidung akzeptieren, aber eigentlich die Alternative bevorzugt hätten? Und meinen wir wirklich, dass wir es stets schaffen, alle Entscheidungsparameter auch tatsächlich zu kennen und objektiv zu gewichten?
Unser Körper setzt Gefühle ein, um uns auf etwas hinzuweisen, was einer näheren Betrachtung bedarf; und das sollten wir sehr ernst nehmen. Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung zeigen, dass eben auch Entscheidungen nicht ausschließlich bewusst sachlich getroffen werden (können).
Limbisches System
Im Gehirn ist – für uns unbewusst – ein „Belohnungssystem“, das Limbische System, aktiv und beeinflusst unsere Gedankengänge und Verhaltensweisen. Während wir diese normalerweise rational rechtfertigen, sind sie eigentlich die nachträgliche, „vernünftige“ Erklärung für das unbewusste Wirken des Belohnungssystems. So kommen Wünsche und Bedürfnisse in unser Bewusstsein, die zunächst teils rational, teils emotional mit ihren Konsequenzen bewertet werden. In diese Bewertung fließen alle bisherigen Erfahrungen, das erlernte Wissen, übernommene bzw. ausgebildete Denkweisen und Glaubenssätze mit ein. Erst dann folgt die gedankliche Planung, und die Handlungsabsicht entsteht. Für die tatsächliche Umsetzung ist dann jedoch wieder das Limbische System verantwortlich. Unsere Entscheidungen basieren demnach auf mehreren bewussten und unbewussten Mechanismen. Es ist häufig wichtig für uns selbst, dass wir Entscheidungen explizit nachvollziehen können; und so nehmen wir an, unser Bewusstsein habe diese Entscheidungen letztlich getroffen.
Entscheidungsverhalten
Wie beschrieben sollten wir also deutlich mehr auf unser Gefühl achten, wenn wir vor für uns bedeutsamen Situationen und Entscheidungen stehen. Gefühle basieren auf Emotionen und steuern das Verhalten – und das schließt das Entscheidungsverhalten selbstverständlich mit ein. Entscheidungen können überzeugender und nachhaltiger getroffen werden, wenn sowohl Sachverstand als auch „Bauch“-Gefühl bewusst berücksichtigt werden.
Aber darf ich denn nun Gefühle im „harten Business“ zeigen oder nicht? Wer Gefühle zeigt, zeigt angeblich Schwäche – diese persönliche Haltung Anderen gegenüber habe ich während meiner verschiedenen beruflichen Stationen oftmals erlebt und selber erfahren. Diese Gefühle („Schwächen“) werden dann mit geringer Belastbarkeit, mangelndem Selbstbewusstsein sowie fehlendem Durchsetzungsvermögen gleichgesetzt – unabhängig von sichtbaren und messbaren Erfolgen. Letztere waren dann womöglich „nur“ glückliche Zufälle?
Mensch sein
Was sagt es letztlich aus, wenn ich Gefühle zeige? Ich bin vor allem authentisch und versuche nicht, eine Rolle zu „spielen“, die mich als Menschen nicht ausmacht. Gefühle zu zeigen, erleichtert es anderen, angemessen zu reagieren; sie zuzulassen, macht mich sensibler für die Wahrnehmung mir selbst und anderen gegenüber – unabhängig davon, ob ich Führungskraft oder Mitarbeiter bin.
Im täglichen Umgang zwischen Führungskräften und Mitarbeitern geht es nicht immer um große Entscheidungen. Informationsaustausch sowie viele kleine Abstimmungen über Vorgehensweisen und Bearbeitungen von Routine-Aufgaben erfolgen laufend. Nicht Alles verläuft dabei reibungslos: Mal ist jemand unaufmerksam und macht Fehler, ‚mal streikt die Technik, ‚mal ist jemand nicht erreichbar. Bei der heutzutage vorliegenden Aufgabenfülle kann es auch mir durchaus passieren, dass ich gereizt reagiere und das nach außen hin zeige. Wichtig ist aus meiner Sicht, dem angesprochenen Menschen gegenüber deutlich zu kommunizieren, dass ich nicht über den Menschen selbst, sondern lediglich über den entsprechenden Umstand oder das entsprechende Verhalten verärgert bin. Meine persönliche Haltung muss dabei stets wertschätzend bleiben. Und wenn ich mich freue – dann darf mein Team das ebenfalls wissen.
Also:
Worin genau soll jetzt der Nachteil liegen, Gefühle auch im Business-Umfeld zu zeigen?
Ich freue mich über Ihr Feedback, gern persönlich,
herzlichst
Ihr Christian Nourney
Beitrag als Download